Pflegekräfte am Limit

Psychische Erkrankungen bei Pflegekräften bergen erhebliche Gefahren, da sie nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit der Pflegekräfte selbst beeinträchtigen, sondern auch die Qualität der Versorgung der betreuten Personen negativ beeinflussen können.

Das Bild zeigt zwei Hände, die versuchen einen Knäuel zu entwirren.

Hohe Arbeitsintensität in der Pflege

Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigt, dass Pflegekräfte in der Alten- und Krankenpflege unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, was zu körperlichen und insbesondere psychischen Beschwerden führt. Die Studie ist aus 2018.

Mehr als 50 % der befragten Pflegekräfte berichten von Muskel-Skelett-Beschwerden, während über 60 % unter psychosomatischen Beschwerden leiden. Die Statistik der Krankmeldungen verdeutlicht diese Problematik, da Pflegekräfte durchschnittlich 4,63 Tage pro Jahr aufgrund von psychischen Beschwerden krankgeschrieben werden, was fast 87 % mehr ist als in anderen Berufen. Die Arbeitsbelastung, der hohe Leistungsdruck, Zeitdruck und die physische Anstrengung tragen zu dieser Situation bei. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfiehlt, die Arbeitsorganisation in Pflegeeinrichtungen zu überdenken und Konzepte wie die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) einzubeziehen, um die Situation zu verbessern.

Bei Pflegekräften leidet die Psyche im Stillen

Laut dem TK-Gesundheitsreport 2019 fehlen Kranken- und Altenpflegekräfte durchschnittlich 23 Tage pro Jahr aufgrund von Krankheiten. Der Anteil der Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen ist zwischen 2004 und 2018 um 60% gestiegen, und dieser Trend dürfte sich durch die Belastungen der Corona-Krise weiter verschärft haben. Die häufigsten psychischen Erkrankungen, von denen Pflegekräfte betroffen sind, sind Burnout, Depressionen sowie Angst- und Panikstörungen. Obwohl immer noch mehr Frauen als Männer in der Pflege arbeiten, sind Männer in Pflegeberufen häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen.

Pflegekräfte haben generell ein doppelt so hohes Risiko, an Burnout zu erkranken, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. In den letzten 10 Jahren ist das Risiko unabhängig von Geschlecht und Alter um 15 % gestiegen. Pflegekräfte greifen häufig auf Medikamente wie Antidepressiva zurück, um die psychische Belastung zu bewältigen. Im Durchschnitt nehmen sie 22 Tagesdosen Antidepressiva pro Jahr ein, während der Durchschnittsdeutsche nur 14 Tagesdosen einnimmt. 

In der Altenpflege ist die psychische Belastung besonders hoch, wodurch Pflegekräfte fast 80 % mehr Antidepressiva einnehmen als der Rest der Bevölkerung. Insgesamt beträgt die Anzahl der Medikamenteneinnahmen bei Pflegekräften 314 Tagesdosen im Vergleich zu 244 Tagesdosen bei anderen Berufstätigen.

Psychische Krankheitsbilder 

Psychische Krankheiten werden diagnostiziert, wenn das psychische Funktionieren einer Person signifikant von der als normal empfundenen Funktionsweise abweicht. Sie betreffen Bereiche wie Denken, Fühlen, Wahrnehmung und Verhalten und können sowohl die betroffene Person als auch ihr Umfeld stark beeinträchtigen.

Einige der häufigsten Formen psychischer Krankheiten sind:

  • Depressionen: gekennzeichnet durch anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Energiemangel, Schlaf- und Appetitstörungen sowie negative Gedanken- und Gefühlswelt.
  • Angststörungen: umfassen verschiedene Störungen wie Generalisierte Angststörung, Panikstörung, soziale Angststörung und spezifische Phobien. Sie manifestieren sich durch übermäßige Angst, Sorgen, Panikattacken oder die Vermeidung bestimmter Situationen.
  • Panikattacken: treten plötzlich und unerwartet auf und gehen mit intensiven körperlichen und psychischen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Angst vor dem Kontrollverlust oder dem Gefühl des nahenden Todes einher.
  • Burnout: eine chronische Erschöpfungssyndrom, das durch langanhaltenden berufsbezogenen Stress gekennzeichnet ist und zu emotionaler Erschöpfung, reduzierter Leistungsfähigkeit und negativer Einstellung zur Arbeit führt.
  • Essstörungen: umfassen Krankheitsbilder wie Anorexie, Bulimie und Binge-Eating-Störung, die sich durch gestörtes Essverhalten, extremes Gewichtsmanagement und eine verzerrte Körperwahrnehmung auszeichnen.

Höheres Krankheitsrisiko in der Pflege

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen stehen seit langem unter einer anhaltenden Überbelastung. Bereits vor der Corona-Pandemie war die Situation angespannt, und die zusätzlichen Belastungen während der Krise haben die Probleme weiter verschärft. 

Neben der hohen Arbeitsbelastung ist auch das Gefühl, nicht genug Zeit und Ressourcen für eine angemessene Betreuung der Patienten:innen zu haben, ein bedeutender Auslöser für psychischen Stress. Die ständige Anspannung, der Zeitdruck und die emotionalen Herausforderungen können zu Erschöpfung, Burnout, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen. 

Es ist von entscheidender Bedeutung, Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Ressourcen und Unterstützung für die Beschäftigten zu erhöhen und ihre psychische Gesundheit zu fördern. Die Überbelastung im Gesundheitswesen wird durch die steigende Arbeitsdichte und den Personalmangel verursacht, was zu kaum planbaren Freizeiten und wenig Zeit für Familie und Selbstfürsorge führt.

Die Ursachen:

  • Hohe Arbeitsbelastung: Pflegekräfte sind oft mit einem hohen Arbeitsaufkommen konfrontiert, das zu Zeitdruck, Überstunden und einer permanenten Anspannung führen kann. Der hohe Bedarf an Pflegeleistungen und der Mangel an Personal können zu einer Überlastung der Pflegekräfte führen.
  • Emotionale Belastung: Der Umgang mit kranken, leidenden oder sterbenden Menschen kann für Pflegekräfte emotional sehr belastend sein. Sie sind mit schweren Schicksalen und traumatischen Erfahrungen konfrontiert, was zu einer starken emotionalen Erschöpfung führen kann.
  • Mangelnde Unterstützung und Anerkennung: Oft fehlt es Pflegekräften an ausreichender Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen. Zudem wird ihre Arbeit in der Gesellschaft häufig nicht ausreichend wertgeschätzt, was zu einem Gefühl der Frustration und des Ungenügens führen kann.
  • Schichtarbeit und unregelmäßige Arbeitszeiten: Die Arbeit in der Pflege erfordert oft Schichtarbeit und Nachtarbeit, was den Schlaf-Wach-Rhythmus stört und zu einer chronischen Übermüdung führen kann. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten erschweren auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
  • Körperliche Belastung: Pflegekräfte müssen häufig schwere Lasten heben, in ungünstigen Körperhaltungen arbeiten und physisch anspruchsvolle Aufgaben bewältigen. Dies kann zu körperlichen Beschwerden führen und die psychische Belastung verstärken.
  • Organisatorische Faktoren: Mangelnde Ressourcen, unzureichende Arbeitsbedingungen und fehlende Entscheidungsfreiheit können die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Pflegekräfte negativ beeinflussen.

Wer kann bei psychischen Probleme helfen?

Arbeitgeber müssen aktiv werden und erkennen, dass Investitionen in betriebliches Gesundheitsmanagement erforderlich sind, um die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu fördern.  Ein vielversprechendes Projekt in diesem Bereich ist PROCARE, entwickelt von der Universität Hamburg, das in 48 Heimen als Pilotprojekt durchgeführt wurde. Es umfasst eine Gefährdungsanalyse, optimierte Ressourcenförderung und Arbeitsentlastung durch den Einsatz technischer Hilfsmittel. 

Laut Umfragen haben 42-67 % der Beschäftigten angegeben, dass dadurch ihre körperliche Belastung abgenommen hat. Zusätzlich bietet die AOK betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen wie das digitale Gesundheitstraining RESIST und das Seminar "Fit für die Pflegeschicht" an.  Zur Verhinderung psychischer Erkrankungen ist es jedoch auch wichtig, Arbeitsbelastungen zu reduzieren und die Wertschätzung und Anerkennung für Pflegekräfte zu erhöhen.


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