Altenpflegerin aus ganzem Herzen

Karin May, staatlich anerkannte Altenpflegerin, hat ihren Beruf aus Überzeugung gewählt. Im heutigen Interview blickt sie auf rund 35 Berufsjahre zurück.

Das bild zeigt eine Hand die eine andere Hand hält.

Frau May, mit welchen Vorstellungen haben Sie damals den Beruf der Altenpflegerin gewählt?

Der unmittelbare Kontakt zu den Menschen war mir wichtig. Ich wollte deshalb auf jeden Fall immer Altenpflegerin und nicht Krankenschwester werden. In der stationären Krankenpflege gab es zu meinen Anfangszeiten in den 1980er Jahren schon mehr behandlungspflegerische und Verwaltungsaufgaben als in der Altenpflege.

Wenn Sie die Arbeit in den 80er Jahren und heute vergleichen, welche Unterschiede fallen Ihnen am deutlichsten auf?

Früher gab es nur wenige Fachkräfte und man trug deshalb wesentlich mehr Verantwortung. Gleichzeitig war aber der Verwaltungsaufwand gering. Durch medizinische Erkenntnisse, wissenschaftliche Standards in allen Bereichen der Pflege, gesetzliche Vorgaben, deutlich höheren Qualitätsanforderungen und detaillierte Dokumentationspflichten sieht das Aufgabengebiet einer Altenpflegerin heute ganz anders aus. Inzwischen nehmen die Behandlungspflege und der Verwaltungsaufwand ähnlich wie bei Gesundheits- und Krankenpflegern einen ähnlich großen Raum ein.

Können Sie das an Beispielen erläutern?

Beispiel Demenz – heute weiß man viel mehr darüber, welche Veränderungen in einem dementiell erkrankten Menschen vorgehen. Früher hatte keine Pflegekraft eine Ahnung davon, dass durch Eiweißablagerungen die Informationsübermittlung im Gehirn eines Patienten gestört ist und es dadurch zu Gedächtnisstörungen und in fortgeschrittenem Stadium zu Persönlichkeitsveränderungen kommt. Wurde ein Patient aggressiv, wurde das oft als persönlichen Angriff gewertet. Das hat natürlich die Beziehung zum Patienten beeinflusst. Das gewachsene Wissen führt heute zu mehr Verständnis und Toleranz. Heute ist man beispielsweise auch viel vorsichtiger beim Einsatz von sedierenden Medikamenten als früher.

Ein anderes Beispiel mit einem enormen Entwicklungsschub ist das Thema Hygiene. Heute ist beispielsweise genau fest geschrieben, wann Handschuhe zu wechseln sind und wie eine effektive Wundpflege auszusehen hat. All das gab es früher nicht. Auch für wichtige Schutzmaßnahmen wie Dekubitus- oder Sturzprophylaxe ist heute jede Pflegekraft sensibilisiert. Wer als Bewohner oder Patient früher in einer schwachen körperlichen Verfassung und bettlägerig war, bekam fast zwangsläufig Druckgeschwüre. Das war normal. Es gab weder Wechseldruckmatratzen noch die modernen Inkontinenzmaterialien. Heute achtet jede Pflegekraft auf eine Mobilisierung von Patienten, um vorhandene körperliche Fähigkeiten zu erhalten und eben Druckgeschwüre zu vermeiden.

Was haben Sie persönlich an diesem Beruf immer geschätzt?

Mir war immer die persönliche Beziehung wichtig. Zu so manchem Bewohner wuchs eine ganz persönliche Verbindung. Es gibt Menschen, an die denke ich noch heute gerne zurück. Das waren zum Teil schwierige, aber eben immer auch ganz besondere Persönlichkeiten. Als Altenpflegerin bin ich auf der Gefühlsebene ganz nah dran an den Menschen und bekomme viel zurück. Wenn ich meine Arbeit gerne mache und mit ganzem Herzen dabei bin, spüren das die Patienten und Bewohner und zeigen, dass es ihnen gut geht. Das hat mir immer das Gefühl gegeben, dass meine Arbeit wichtig und wertvoll ist. Auch die Arbeit im Team mit Kolleginnen und Kollegen habe ich persönlich immer als große Bereicherung empfunden.

Wie sahen Ihre verschiedenen beruflichen Stationen aus?

Nach meiner Ausbildung in Freiburg bin ich 1982 nach Berlin gekommen. Dort habe ich zuerst in einem Altenheim gearbeitet und danach in einem Krankenheim mit einem Team festangestellter Ärzte und Therapeuten. Daran schlossen sich eine dreijährige Tätigkeit in einem Krankenhaus für chronisch Kranke und verschiedene Stellen in stationären Pflegeheimen an.

Sie sind heute im Leitungsbereich tätig. Warum sind Sie aus der aktiven Pflege in die Verwaltung gewechselt?

Da es früher, wie schon gesagt, nur wenige Fachkräfte gab, wurde man automatisch in die Leitung geführt. Ich habe immer wieder Neues dazu gelernt und erhielt durch meine Weiterbildungen verantwortliche Aufgaben als Stations- oder Wohnbereichsleitung. Bei meinen Stellen in den Kranken- und Pflegeheimen war ich also für den reibungslosen Ablauf der gesamten Pflege verantwortlich, aber auch Ansprechpartnerin für Ärzte, Therapeuten und Angehörige. 

Parallel dazu war ich aber auch immer in alle anfallenden Pflegeaufgaben eingebunden. Aufgrund von Rückenproblemen musste ich dann die direkte Pflege verlassen und habe 2013 eine Weiterbildung zur Qualitätsbeauftragten gemacht.

Was sind Ihre Aufgaben heute als Qualitätsbeauftragte in einem ambulanten Pflegedienst?

Ich kümmere mich vor allem darum, dass die internen und externen Abläufe der Pflege ständig überprüft und optimiert werden. Dabei kann es etwa darum gehen, dass alle wichtigen Informationen elektronisch erfasst werden, so dass die Pflegekräfte diese über Smartphone abrufen können und über aktuelle Termine wie Arztbesuche des Patienten oder eine veränderte Medikamentengabe informiert sind. Ich begleite auch Mitarbeiter, wenn sie vor Ort bei einem Patienten Fragen zu pflegerischen Problemen haben, Unterstützung brauchen oder berate Angehörige über notwendige Hilfsmittel. Ich bin außerdem für die Schulungen der Mitarbeiter in praktischen Pflegefragen verantwortlich. 

Es ist wichtig, immer wieder die richtige Reaktion in besonderen Situationen oder im Notfall zu schulen. Als Beispiel: Was muss eine Pflegekraft veranlassen, wenn ein Patient mehrfach gestürzt ist, oder welche Maßnahmen sind erforderlich, wenn ein Diabetiker unterzuckert ist. Außerdem arbeite ich der Qualitätsmanagementbeauftragten im Unternehmen zu, erstelle Statistiken und bereite Audits vor. Es gibt viele und ganz unterschiedliches Aufgaben. Genau diese Vielfalt reizt mich auch besonders.

Haben Sie Wünsche und Visionen für die Zukunft?

Mein Herz schlägt für die politische Seite des Pflegeberufs. Anders als in angelsächsischen Ländern wie beispielsweise den USA oder England fehlen in Deutschland ein klares Berufsbild und eine eigene Pflegekammer. Wir sind mehr oder weniger Anhängsel medizinischer Berufe und fremdbestimmt. Ich würde mich gerne politisch für die Pflege stark machen. Deshalb habe ich auch 2014 mit dem Studium der Gesundheitswissenschaften angefangen. Dank der flexiblen Arbeitszeiten meines Arbeitgebers Mediavita GmbH kann ich dies parallel zu meiner Arbeit auch organisieren. 

Mein Ziel ist es, einen Beitrag zu leisten, dass der Pflegeberuf wieder attraktiver wird. Viele Pflegefachkräfte verlassen nach etwa fünf Jahren den Beruf. Ich möchte helfen, dass Pflegefachkräfte wieder zunehmend Sinn in ihrem Beruf sehen und diesen auch mit einem Familienleben vereinbaren können. Hierfür sind neue Strukturen und Rahmenbedingungen erforderlich. Die Zukunft der Pflege aktiv mitgestalten – ja, dem möchte ich mich zukünftig sehr gerne widmen.

Frau May, vielen Dank für das Gespräch.


Letzte Aktualisierung
15.11.2022
Autor/Autorin
valmedi Redaktion
Bildnachweis
Bildnachweis: shutterstock_2220063771

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